Geschlechtsspezifische Unterschiede bei anti-inflammatorischen Wirkstoffen
Farkouh A, Baumgärtel C, Gottardi R, Hemetsberger M, Czejka M, Kautzky-Willer A. Sex-Related Differences in Drugs with Anti-Inflammatory Properties. J Clin Med. 2021 Apr 1;10(7):1441.
Forschung und Wissen über Gendermedizin nehmen kontinuierlich zu, dennoch gibt es noch relativ wenige systematische Daten aus klinischen Studien, und Frauen waren in der Vergangenheit in diesen oft unterrepräsentiert. Eine österreichische Publikation zeigt detailliert den Einfluss des biologischen Geschlechts auf Pharmakokinetik und Pharmakodynamik anti-inflammatorischer Wirkstoffe.
Im Vergleich zu Männern nehmen Frauen sowohl mehr verschreibungspflichtige als auch frei verkäufliche Präparate zu sich. Die Rolle von geschlechtsspezifischen Unterschieden bezüglich Pharmakotherapie sei lange Zeit unterschätzt worden, betont eine interdisziplinäre österreichische Autor*innengruppe der Universität Wien (Dr. André FARKOUH), Med Uni Wien (Prof. Alexandra KAUTZKY-WILLER) und der AGES (Dr. Christoph BAUMGÄRTEL). Die Autorinnen und Autoren weisen gleichzeitig darauf hin, dass viele Krankheitsbilder bei Frauen und Männern unterschiedlich häufig auftreten. Zudem sind Frauen durchschnittlich kleiner und leichter als Männer, und haben einen höheren Körperfett- und geringeren Körperwasseranteil. Dies kann sich deutlich auf die Konzentration, Verteilung und Wirkungsdauer von Wirkstoffen auswirken. Unterschiedliche Aktivitäten metabolisierender Enzyme kommen dazu.
All diese Faktoren, so schreiben FARKOUH et al., führen letztlich dazu, dass bei gleichen Therapieschemata bei Frauen mehr Wirkstoff-induzierte Nebenwirkungen auftreten können als bei Männern.
In ihrem Übersichtspaper konzentrieren sich die Autoren in erster Linie auf entzündungshemmende Medikamente und beschreiben geschlechtsspezifische Unterschiede bei Pharmakokinetik und Wirkung. Grundlage ist das biologische Geschlecht; das soziokulturelle Geschlecht (Gender) wurde nicht berücksichtigt.
Geschlechtsspezifische Unterschiede im Immunsystem
Zunächst werfen die Autoren einen Blick auf unser Immunsystem und zeigen bemerkenswerte Unterschiede auf: Die Immunantwort und das Entzündungsgeschehen ist bis zur Pubertät bei Buben stärker ausgeprägt; danach findet man jedoch bei Frauen eine höhere Aktivität, wenn auch nicht in allen Teilbereichen des Immunsystems. Übrigens: Die Unterschiede in der Immunantwort sind nicht nur genetisch, sondern auch hormonell bedingt. Und diese hormonellen Unterschiede tragen auch zu den geschlechtsspezifischen Differenzen in der Pharmakokinetik und Pharmakodynamik von Medikamenten bei.
Geschlechtsspezifische Unterschiede im Zusammenhang mit anti-inflammatorischen Wirkstoffen
Ausführlich gehen die Autoren auf folgende Substanzen ein: auf die NSAR (nicht steroidale Antirheumatika) Acetylsalicylsäure (ASS), Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen; auf die selektiven COX-2 Inhibitoren; auf die Glukokortikoide Prednison, Methylprednisolon und Hydrokortison; die TNF-alpha Inhibitoren sowie die Antileukotriene.
ASS, so die Autoren, schützt Männern und Frauen unterschiedlich vor Myokardinfarkt (Männer besser geschützt) oder ischämischem Schlaganfall (Frauen besser geschützt). Diese Unterschiede können durch den Einfluss weiblicher Sexualhormone bedingt sein, sind dabei aber nicht allein durch pharmakokinetische Überlegungen erklärbar. Für Ibuprofen könnte der schmerzstillende Effekt bei Männern ausgeprägter sein – allerdings ist es ebenso möglich, dass diese Beobachtungen durch eine bessere (stärkere) Schmerzweiterleitung bei Frauen erklärbar sind und damit keinen pharmakokinetischen Hintergrund haben.
Unterschiede bestehen – in unterschiedlichem Ausmaß – auch bezüglich gastro-intestinaler, renaler und hepatischer Nebenwirkungen der genannten anti-inflammatorischen Substanzen.
Die Kortisol-Produktion und die Umwandlung von Kortisol zu Kortison funktioniert bei Männern und Frauen unterschiedlich rasch, und die Ausschüttungsmuster von Kortisol sind mit Unterschieden in der Inzidenz von kardiovaskulären Erkrankungen und Typ-2-Diabetes assoziiert. Auch die externe Zufuhr von Kortikosteroiden kann unterschiedlich starke Effekte haben. Für Prednison wurde beispielsweise eine höhere Inzidenz intolerabler Nebenwirkungen bei Frauen beobachtet, was dazu führte, dass Dosissteigerungen nicht akzeptiert wurden.
Auf Methylprednisolon reagieren Frauen sensibler als Männer, wenn ihre Östrogenspiegel hoch sind – ein Effekt, der bei der Kontrazeption beachtet werden sollte; allerdings wird Methylprednisolon bei Frauen auch rascher wieder aus dem Körper eliminiert.
Zu den monoklonalen TNF-alpha Inhibitoren stellen die Autoren fest, dass diese bei Männern eine längere Halbwertszeit aufweisen und so zu stärkerer Immunsuppression führen können, was sich in vermehrten Infektionen äußern kann.
Auch für Antileukotriene gibt es Hinweise auf geschlechtsspezifische Unterschiede, die aus einer explorativen Analyse mit Montelukast stammen. Diese Unterschiede schienen zudem altersabhängig zu sein.
Schlussfolgerungen
Unterschiede zwischen biologischen Männern und Frauen aufgrund von Genetik, Genomregulation, Epigenetik, endogenen Faktoren sowie soziokulturellen, exogenen Faktoren haben eine große Bedeutung hinsichtlich der Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln. Biologisches Geschlecht sowie Gender sind integraler Bestandteil der personalisierten Medizin und müssen in der Forschung, der medizinischen Ausbildung und Gesundheitspolitik gezielter berücksichtigt werden.
Arthrose: Warum sind Frauen stärker betroffen?
Sowohl Prävalenz als auch Inzidenz der Arthrose sind bei Frauen deutlich höher als bei Männern. Und der wahre Unterschied könnte dabei sogar unterschätzt werden, schreibt eine Gruppe von Autorinnen aus dem Langone Orthopedic Hospital in New York.

Noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich bei Pfizer, um Zugang zu Pfizermed zu erhalten.
Login
Melden Sie sich mit Ihren bestehenden Zugangsdaten von DocCheck oder Pfizer an, um Zugang zu Pfizermed zu erhalten.